Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 5. März 2024 bestätigt, dass es sich beim Thermofenster im VW T5 um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt und der Käufer Anspruch auf Schadenersatz hat (Az. 17 U 20/21). Das Urteil hat Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte, erstritten.
Der Kläger hatte den VW T5 Multivan mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 und der Abgasnorm Euro 5 im April 2013 als Neufahrzeug zum Preis von 56.400 Euro gekauft. In dem Fahrzeug ist ein Thermofenster bei der Abgasreinigung verbaut, d.h. die Abgasrückführung funktioniert ausschließlich in diesem vorgegebenen Temperaturrahmen vollständig. Bei höheren oder niedrigeren Temperaturen wird sie schrittweise bis auf null reduziert. Das hat einen Anstieg der Emissionen zur Folge.
Ein verpflichtender Rückruf des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung für dieses Modell liegt bislang nicht vor. Allerdings bietet VW seit dem 1. Juni 2023 unter dem Code 23DV ein freiwilliges Software-Update an, um den Wirkungsbereich des Thermofensters auszuweiten. Der Kläger ließ das Software-Update auf sein Fahrzeug aufspielen. „Unabhängig davon, haben wir weiter auf Schadenersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters geklagt“, so Rechtsanwalt Gisevius.
Das OLG Karlsruhe bestätigte den Schadenersatzanspruch des Klägers und folgte dabei der Rechtsprechung des BGH vom 26. Juni 2023. Demnach ist es für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon ausreichend, wenn der Fahrzeughersteller nur fahrlässig gehandelt hat. Das sei hier der Fall, denn VW habe eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug ausgestellt, so das OLG.
Eine Abschalteinrichtung ist unzulässig, wenn die Wirkung des Emissionskontrollsystems schon unter in der EU üblichen Betriebsbedingungen reduziert wird. Dies sei hier der Fall, stellte das OLG Karlsruhe fest. VW habe selbst eingeräumt, dass durch das ursprünglich verbaute Thermofenster die Abgasreinigung schon bei Umgebungstemperaturen von unter 13 Grad und über 35 Grad reduziert wird. Jedenfalls bei Umgebungsbedingungen unter 13 Grad handele es sich um Fahrbedingungen, wie sie im Gebiet der EU üblich seien. Daher handele es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung, so das OLG.
VW habe trotz der unzulässigen Abschalteinrichtung eine Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug ausgestellt und damit bestätigt, dass es den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Damit habe VW den Kläger zumindest fahrlässig geschädigt. Denn es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Kaufvertrag bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu diesen Konditionen geschlossen hätte. VW müsse dem Kläger den sog. Differenzschaden ersetzen, entschied das OLG Karlsruhe.
Gemäß der Rechtsprechung des BGH beträgt der Differenzschaden zwischen 5 und 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises. Das OLG bezifferte ihn mit 10 Prozent, sprich 5.640 Euro. „Eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen rund 88.000 Kilometer wird nicht abgezogen und unser Mandant kann den T5 behalten“, sagt Rechtsanwalt Gisevius.
Bemerkenswert ist zudem, dass das OLG Karlsruhe feststellte, dass durch das freiwillig aufgespielte Software-Update (23DV) keine Schadensminderung eingetreten sei. Durch das Update sei das Thermofenster auf einen Temperaturbereich von 10 bis 45 Grad ausgeweitet worden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Gefahr von Betriebsbeschränkungen dadurch signifikant reduziert wurde, so das Gericht.
Tatsächlich könnte aus dem bislang freiwilligen Software-Update ein verpflichtender Rückruf des KBA werden. „Denn das KBA hat mit Bescheid vom 8. Januar 2024 festgestellt, dass das ursprüngliche Thermofenster in betroffenen Fahrzeugen des VW T5 unzulässig ist“, so Rechtsanwalt Gisevius.
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